Ein persönlicher Erfahrungsbericht von Sigrid Reymaier – Patenschaftsverantwortliche bei Stream of Life
Das erste Mal reiste ich im Juli 2018 nach Uganda. Unbedarft und beinahe schon selbstgefällig habe ich lange vor dieser Reise Berge an Kleidung, Schuhen und vieles andere gesammelt – einfach geschnorrt, was das Zeug hielt. Wir haben alles mitgenommen. Ich wollte einfach helfen. Zu präsent waren die Erfahrungen aus der eigenen Kindheit. Ich bin selbst in ärmlichsten Verhältnissen aufgewachsen. Ich weiß, was es heißt, Hunger zu haben und nicht zu wissen, wann es das nächste Mal wieder etwas zu essen gibt.
Als nun unsere Reise nach Afrika begann, war ich zwar aufgeregt, dachte aber auch nicht groß darüber nach, was mich erwarten würde. Am Flughafen wurden wir von vielen Menschen abgeholt, die ich nicht kannte, die mich aber herzlich willkommen hießen. Wir hatten eine halbwegs nette Unterkunft und da wir in der Nacht ankamen, sah ich noch nicht, wie schlimm die Zustände in Wirklichkeit waren.
Am nächsten Morgen ging’s samt unserem Gepäck zu Afrinena Children’s Voice. Über Straßen, deren Zustand man sich nicht vorstellen mag, kamen wir an. Als wir ausstiegen, wurden wir von Frank und Agnes, die sich in Uganda um die Waisenkinder kümmern, liebevoll empfangen. Die Kinder hatten extra Choreografien für uns eingeübt, und es war wunderbar anzusehen, wie sie versuchten, auf der winzigen brüchigen Terrasse ihre Tänze zu zeigen. Wir wurden hineingebeten, alle Kinder saßen erwartungsvoll und vollkommen still auf dem Fußboden, in zerrissener Kleidung, ohne Schuhe mit großen Augen. Das war der Zeitpunkt, an dem ich mich das erste Mal geschämt habe, die ausrangierten Sachen, die in Europa niemand mehr haben wollte, in Uganda abgeladen zu haben. Ich sah in die wunderschönen, vertrauensvollen Gesichter der Kinder und wusste, dass sich ab diesem Zeitpunkt mein Leben verändert hat. Ich sah die Freude über die Süßigkeiten, die Luftballons, die Seifenblasen und Stofftiere, die wir mitbrachten. Ich sah mir das Haus und die Umgebung an, und mir kamen ständig die Tränen. Winzige Schlafräume ohne Fenster für unendlich viele Kinder. Die Wände schwarz vor Schimmel. Teilweise lagen mehrere Kinder in einem Stahlrohr-Stockbett. Es gab so etwas Ähnliches wie eine Küche, die aus einer Feuerstelle, einem Topf und Kohle bestand. Ein Raum, komplett verschimmelt, in dem die Kinder auf dem Fußboden saßen und mit den Fingern aus einem Plastikteller aßen.
Wie oberflächlich bin ich nur gewesen. Diese Kinder brauchten keine Fetzen von Primark oder KIK. Diese Kinder brauchten eine Umgebung, in der sie halbwegs gesund blieben, vielleicht mit einem kleinen Grundstück zum Anbauen von Gemüse. Schlafräume mit einem Fenster und ein bisschen Farbe. Sämtlicher Besitz eines jeden Kindes lag in dem Bett, in dem es schlief. Diese Kinder brauchten Essen und mussten zur Schule. Denn Schule konnte keiner bezahlen, daher gab es auch keine Ausbildung. Die Zukunft war vorprogrammiert. Das wollte ich ändern, zu sehr erinnerte mich das Schicksal dieser Kinder an meine eigene Kindheit. Ich selbst musste vielmals von der Schule zuhause bleiben, weil die Hausarbeit wichtiger war. Ich hatte mehr Fehlstunden als Anwesenheiten. Nur weil sich meine acht Jahre ältere Schwester um mich gekümmert hat und mich bei sich aufgenommen hat, bin ich einem schlimmeren Schicksal entgangen. Durch ihre Hilfe und Motivation schaffte ich die Schule erfolgreich zu absolvieren und später auch im Berufsleben Erfolg zu haben.
Als ich die Situation der Waisenkinder in Uganda sah, stand für mich sofort fest, ich brauche kein einundsiebzigstes Paar Schuhe. Diesen Kindern muss geholfen werden. Und dazu will ich meinen Beitrag leisten. Seitdem ist kein Tag vergangen, an dem ich nicht an diese Kinder denke, versuche Paten zu finden und Spenden aufzutreiben, um das Notwendigste finanzieren zu können.
Ich weiß jetzt, was ich zu tun habe – ich bin angekommen!