Reise nach Uganda im Februar 2020

Reise nach Uganda im Februar 2020

Ein Bericht von Stephanie Langer.

Zu Gast bei Afrinena

Gleich nach unserer Ankunft und einem Kurzstopp im Hotel fahren wir in Richtung Afrinena. Vor ein paar Monaten sind „unsere“ Waisenkinder endlich in ein größeres Haus umgezogen. Es liegt nicht weit vom alten Haus entfernt, allerdings ist es oben am Hügel an der Hauptstraße. Ein kurzer Spaziergang durch den Slum zeigt, dass die starken Regenfälle während der letzten Regenzeit die Situation eindeutig verschlechtert haben. Die Straßen sind stark zerfurcht und von mitgeschwemmtem Plastik und Müll übersäht. Wieder begleiten uns Mengen von Kindern in schmutzigen, löchrigen Kleidern. Sie verbringen ihre Zeit im Freien, was das Wetter glücklicherweise meistens erlaubt. Viele Kinder gehen jedoch nicht zur Schule, da ihren Eltern die nötigen finanziellen Mittel fehlen. Die Häuser sind winzige Einzimmer-Räume, in denen die vielköpfigen Familien leben. Auch das alte Afrinena-Haus ist nicht groß und es erscheint jetzt unglaublich, dass hier bis vor kurzem noch dreißig Kinder gewohnt haben. Inzwischen hat sich Afrinena in diesem Slum als soziale Institution etabliert. Viele Familien werden hier unterstützt, indem die Kinder bei Afrinena Essen und Betreuung bekommen und Stream of Life Paten zur Bewältigung der Schulgebühren sucht.

 

Im neuen Haus bei den Afrinenas werden wir mit Tanz, Gesang und Trommeln empfangen. Die Begrüßung ist voller Freude, als der neue Schulbus mit Afrinena-Logo und voll mit müden Schulkindern in neuen Uniformen in den Garten einbiegt. Es ist wunderschön zu sehen, wie glücklich und stolz Agnes und Frank Mwesigwa, die die Kinder „Mummy Agnes“ und „Daddy Frank“ nennen, und die „Waisenhausmutter“ Eva, aber vor allem auch die Kinder waren. An die 40 Kinder wohnen jetzt im Afrinena-Haus. Das Haus hat einen etwas größeren Wohn-/Essraum, der mit den Möbeln vom letzten Jahr ausgestattet wurde. Abgesehen davon haben jetzt alle Kinder ein Bett. Die Mädchen wohnen in zwei Zimmern im Haupthaus, die Burschen sind auf die Nebenräume um den kleinen Hof hinter dem Haus verteilt. Im Garten vor dem Haus gibt es die Möglichkeit Pflanzen anzubauen. Außerdem gibt es einen kleinen Shop hinaus auf die Hauptstraße. Dieser Shop ist zwar stark renovierungsbedürftig, könnte aber zu einer Möglichkeit für unsere Berufsschülerinnen werden, nach ihrer Ausbildung ihre ersten Schritte in die Selbständigkeit zu machen.
Wir bringen diesmal, neben Büchern und Kleidern, viele Spiele mit, von denen es bisher gar keine im Haus gab. Neben Abwechslung und Spaß wollen wir damit natürlich auch die Entwicklung unserer Schützlinge fördern. Das war ein lustiger Kinderknäuel am Boden, beschäftigt mit Puzzles, Straßenpuzzlesteinen, ein paar Autos, Knobelspielen und Konzentrationsspielen. Auch die Kartenspielrunden haben sich großer Beliebtheit erfreut und besonders Alex hat uns daraufhin immer mit UNO!-Rufen empfangen. Die kleinen Plüschtiere haben uns dann von dem ein oder anderen Bett glücklich angesehen.

Während wir in Uganda sind zeichnet sich aber ein neues Problem ab. Die Heuschreckenplage beginnt sich auf den Norden des Landes auszudehnen. Die Lebensmittelhändler nehmen dies zum Anlass – unabhängig davon, ob sie betroffen sind oder nicht – ihre Preise zu erhöhen. Wir erfahren, dass die Preise durch solche Meldungen immer wieder starken Schwankungen unterworfen sind und die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln somit so eine große Herausforderung wird.

Afrinena Children’s Voice:
Ugandische Tänze und Gesänge

Zweimal können wir Darbietungen von „Afrinena Children’s Voice“ bewundern. Frank Mwesigwa ist Musiklehrer und hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Kindern in den Slums ein gemeinsames Ziel zu geben. Er möchte mit Afrinena Children’s Voice eine Gesangs- und Tanztruppe aufstellen, die öffentliche Auftritte bestreiten kann. Bei einem offiziellen Anlass der Regierung konnte er sich schon bewähren. Die Kinder habe diverse Lieder einstudiert und performen auch traditionelle ugandische Tänze. Zu unseren Ehren haben sie sogar die österreichische Hymne einstudiert. Dieser Moment war besonders schön und ergreifend!

Knowledge for Life – Schulstart mit den Newday-Kids

Auch Joshua Magezi und seine Schwester Esther haben uns am Flughafen empfangen. Wir besuchen den Newday-Kindergarten um die neuesten Entwicklungen zu sehen und mitgebrachte Bücher zu übergeben. Nachdem es gerade die ersten Tage des neuen Semesters sind, dürfen wir mit den Kindern den Schulanfang feiern. An diesem Tag sind alle Kinder sehr aufgeregt und glücklich, da es ein Fest gibt, bei dem gemeinschaftlich gesungen wird und anschließend wunderbare bunte Kuchen ausgeteilt werden. Wir konnten dazu mit gesponserten Sachertorten der Bäckerei Aida mit rot-weiß-roter Zuckerverzierung beitragen, was perfekt gepasst hat. 

Seit dem letzten Mal wurden bei Newday zwei neue Klassen für den Start des Schulprojekts errichtet. Die erste und zweite Klasse Volksschule (Primary one und two) werden heuer erstmals angeboten. Damit soll der direkte Übergang vom Kindergarten zur Schule ermöglicht werden und die Eltern der Kinder animieren, ihre Kinder hier weiter in die Schule gehen zu lassen. Das Schulmotto „Knowledge for Life“ wird hier vor Ort aktiv gelebt. Den Kindern werden hier nicht nur Grundkenntnisse wie Lesen und Schreiben beigebracht, sondern auch Werte wie Verantwortung für Umwelt, Gemeinschaft und Gesellschaft, Pünktlichkeit und Disziplin. In Zukunft wird auch praktisches Wissen wie Gemüseanbau, Kochen und Waschen in die Aktivitäten integriert. Das Ziel ist es, den Kindern praktische Dinge beizubringen, zu denen die arbeitenden Eltern daheim meist nicht kommen. 
Eine Erkenntnis, die uns weiter in unserem Engagement bestärkt, ist, dass die Kinder hier wirklich gefördert werden. Dazu gehört auch das Einfordern von Pünktlichkeit, Anwesenheit und vollständiger Ausstattung. Diese elementaren Fähigkeiten tragen zur Entwicklung eines Pflichtbewusstseins der Kinder bei und sie können durch die erworbenen Begabungen ihr Leben praktisch besser meistern. Im Laufe des letzten Jahres konnten wir den Erwerb eines Grundstücks für einen neuen Schulbau unterstützen, da das Kindergartengelände inzwischen an seine Grenzen stößt. 

Joshua Magezi hat nun die Planung für einen Schulbau begonnen und das benötigte Raumprogramm erhoben, sodass wir vor Ort gemeinsam mit einem Architekten diskutieren und planen konnten. Das Ziel ist es, eine Primary (Volksschule), die in Uganda gemäß britischem System sieben Jahre dauert, aufzubauen und den Kindergarten, der drei Klassen umfasst, auch vor Ort anzusiedeln. Die konkreten Bauphasen werden nun in Pläne bzw. Finanzierungsstufen verfasst. 

Start-ups, Recycling und Empowerment

Unser Engagement in Uganda umfasst den ökologischen Aspekt auch sehr stark. Aus diesem Grund legen wie sehr viel Wert darauf, ein Bewusstsein für Abfallvermeidung, Recycling, den Einsatz erneuerbarer Energien und Wasseraufbereitung zu schaffen. Besonders bei unserem Schulprojekt ist es uns wichtig, diese Aspekte zu thematisieren und umzusetzen. Daher interessieren wir uns auch für entsprechende Initiativen und Start-ups, die in Uganda tätig sind, und die wir nutzen oder als Kooperationspartner gewinnen können. Ein Beispiel sind die plasticpreneurs, ein österreichisches Start-up, welches in Uganda tätig ist. Das Start-up hat in einer ersten Phase eine einfache Maschine entwickelt, die zum Recycling von Plastik dient. Wir besuchen daher eine Familie in ihrem Haus in der Nähe des Victoriasees, die begonnen hat aus Flaschendeckeln und Plastikbehältern recycelte Produkte herzustellen und zu verkaufen. Die Produkte reichen von einfachen Taschen und Schultaschen bis hin zu Tellern, Schüsseln und Bechern.  

Außerdem besuchen wir die „Social Innovation Academy“ (SINA). Hier haben sich Start-ups angesiedelt, die sich sozialen Themen sowie dem Umweltschutz widmen. Wir finden eine Ansammlung von Rundbauten vor, die den traditionellen Bauformen nachempfunden sind, aber aus mit Erde gefüllten Plastikflaschen gebaut wurden. Hier sind Kimuli Fashionabilities tätig, die aus lokalen Stoffen und Plastikabfällen wie Zementsäcke und Haltbarmilchsäcke, aber auch aus Palmengeflecht unterschiedlichste Taschen und Kleidung herstellen. Durch die Unterstützung einer Pariser Modedesignerin konnten sie ihre Designs verbessern. Besonders cool sind die Regenmäntel aus Zementsäcken mit afrikanischem Futter! Neben dem Recycling-Gedanken unterstützen sie benachteiligte Menschen und beschäftigen Menschen mit körperlichen Einschränkungen.  Im nächsten Pavillon nehmen wir Strohhalme aus Gräsern der Umgebung mit – eine wunderbare Alternative zu den Plastikstrohhalmen! 

Ein weiteres Sozialprojekt ist das Projekt „Rafiki“ („Freund“), welches von Joshua Magezi und seiner Schwester Esther ins Leben gerufen wurde. Sie möchten damit die Gemeinde Ggolo, aus der ihre Familie stammt, unterstützen. Der Hauptfokus liegt auf der Unterstützung der Frauen der Gemeinde, da die Frauen hier auf unterschiedlichen Ebenen schwierigen Umständen ausgesetzt sind. Besonders junge Mädchen haben immer wieder Probleme bezüglich Gewalt in der Familie. Ein weiteres Problem der Mädchen ist ihre Menstruation, die sie zwecks fehlender Binden daran hindert, in die Schule zu gehen. Außerdem werden sie sehr oft viel zu jung verheiratet und die Familienplanung ist kaum bekannt. Dazu können wir ausführlich mit der Hauptlehrerin einer örtlichen öffentlichen Schule sprechen. 
 

Weiters besuchen wir gemeinsam mit der örtlichen „Chairwomen of the Ladies“ und dem Chairman, dem lokalen „Bezirkshauptmann“, den Strand, an dem wir mit Fischersfrauen reden können. Sie erwirtschaften ihr kärgliches Einkommen mit dem Verkauf kleiner Fische, die sie im Sand trocknen. Diese Fische können allerdings nur als Tierfutter zu sehr geringen Preisen verkauft werden. Die Frauen müssen außerdem örtliche „Abgaben“ zahlen, da sie die Ware am Strand sonst nicht verkaufen können. Die „Reicheren“ können die Fische auf Netzen trocknen und so höhere Preise erzielen, da die sogenannten „Silver Fish“ ein günstiges Nahrungsmittel bzw. ein beliebter Snack sind. Wir sehen vereinzelt Kinder, die nicht in der Schule sind, da die Fische nicht genug Geld für die Bezahlung der Schulgebühren einbringen. Daher müssen sie ihren Müttern hier am Strand helfen, die Fische mit einem Besen laufend zu “wenden“ damit sie trocknen. 

Reise-Teilnehmer:
Sigrid Reymaier, Stephanie Langer